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Warum bekommen Faultiere keinen Herzinfarkt und wieso werden Schildkröten über 100 Jahre alt?

„Bewegung, Bewegung!“ predigen uns amtlich geprüfte und andere Gesundheitsförderer unablässig. Denn die Strafe fürs sündige Nichtstun steht vor der Tür: Herzinfarkt, Schlaganfall, Knochenschwund, neuerdings auch noch Krebs.
Und das alles wegen eines Apfels. Im Paradies durften wir das Nichtstun noch geniessen, seither sollen wir alles im Schweisse unseres Angesichts…

So kam es denn, dass unsere Vorfahren zwei oder drei oder vier Millionen Jahre lang ihre Nahrung suchen mussten. Täglich. Wahrscheinlich zwischen 15 und 20 Kilometer jeden Tag. Wenn in diesem Umkreis nichts mehr zu finden war, zogen die Horden weiter, in Gruppen von 20 – 30 sollen die Jäger und Sammler zusammengelebt haben. Gegessen wurde meist Pflanzliches in Form von Wurzeln, Früchten, Nüssen oder essbarem Grünzeugs. Besonders gute Jäger waren sie nicht, mehrheitlich mussten sie sich mit dem zufriedengeben, was Raubtiere zurückliessen: mit den Karkassen der Beutetiere. Diese enthielten allerdings etwas ganz Besonderes, was Säbelzahntiger nicht schätzten: Knochenmark und Gehirn, wertvolle Kalorien. Fett vom Feinsten, voll von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin, fast ohne einfach oder mehrfach ungesättigte oder andere gesunde Fettsäuren. Zum Glück gab es noch keine Ernährungsberatung, sonst wäre die Menschheit wahrscheinlich ausgestorben.
Gegessen wurde, wenn etwas da war. Dann jedoch möglichst viel, um die nächste Hungerperiode zu überstehen.

Vor rund 10’000 Jahren stellte die Agrar-Revolution unsere Ernährung auf den Kopf. Statt die Nahrungssuche dem Zufall zu überlassen lernten die Menschen, die Nahrung anzubauen. Die vagabundierenden Horden wurden sesshaft. Die Jagd wurde zugunsten der Tierzucht aufgegeben. Doch noch immer wirkte der Fluch der Vertreibung aus dem Paradies: Nach wie vor erfolgte die Nahrungsproduktion im Schweisse des Angesichts. Davon emanzipierten wir uns endlich in der folgenden, der industriellen Revolution. Endlich wurde körperliche Arbeit überflüssig. Dank unserem Gehirn hatten wir die paradiesischen Verhältnisse wieder hergestellt…

Doch etwas machte da nicht mit. Erbgut oder Genom heisst dieses Etwas. Während einigen Millionen Jahren überlebten immer die tüchtigsten Jäger und Sammler, ihr Erbgut haben wir in uns. Dieses ist auf reichlich Bewegung ausgelegt, denn dieses sicherte unser Überleben. Und auf eine betont pflanzliche Ernährung mit etwas Proteinen und reichlich Fett.
Darum haben die Gesundheitsförderer teilweise recht: unser Erbgut verlangt nach Bewegung. Auf das „welche und wieviel Bewegung“ werden wir in einem folgenden Beitrag zurückkommen.
Die Ernährungsberatung ist da eher auf dem falschen Dampfer: Statt reichlich Pflanzlichem empfiehlt sie uns industriell aufbereitete Kohlenhydrate, das Fett will sie uns möglichst auch noch durch Pasta und Kartoffeln ersetzen, die Proteine sollen von fettarmem Federvieh oder von Fischen stammen. Das Resultat dieses Massenversuchs kann man sich zB auf einem amerikanischen Flughafen tausendfach vor Augen führen.
Hier geht’s jedoch um Bewegung, die Ernährung überlassen wir den Fachleuten und mischen uns nur ein, wenn’s gar zu bunt wird.

Wieso bekommen nun die Faultiere keinen Herzinfarkt? Und wieso leben die Schildkröten so lang? Weil ihr Lifestyle den Vorgaben entspricht, die in ihrem Erbgut festgelegt sind.
Das wäre also ein Versuch wert.

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